Dann stelle ich hier mal meinen am längsten im Depot befindlichen Titel mal vor.
Die Münchener Rück ist der weltgrößste Rückversicherer und betreibt zusätzlich im Wesentlichen über die Tochter ERGO auch das zweitgrößte Erstversicherungsunternehmen Deutschlands. Die Münchner Rück wurde 1880 gegründet und ist ein Schwesterunternehmen der später entstandenen und heute größeren Allianz. Beide Unternehmen haben die gleichen Gründer, ihren Sitz in der gleichen Straße in München und hielten bis ins letzte Jahrzehnt hinein, große wechselseitige Aktienpakete. Bekannt wurde die Münchner Rück als sie 1906 beim Erdbeben in San Francisco als einziger involvierter Versicherer alle Forderungen begleichen konnte. In den 1990ern bündelte man den größten Teil der Erstversicherungsaktitäten unter dem Dach der ERGO und vermarktet diese seit 2011 auch unter diesem gemeinsamen Markennamen. Die Münchner Rück steht für große Kontinuität vor allem an der Führungsspitze. Der aktuelle CEO Nikolaus von Bomhard ist grade mal der achte Vorsitzende innerhalb von 133 Jahren Firmengeschichte.
Die Gewinne eines Rückversicherers schwanken zwar von Jahr zu Jahr ganz ordentlich, sind aber wenn er gut geführt ist auf mittelfristige Sicht ziemlich gut berechenbar.
Die Münchner Rück ist heute in den Rückversicherungssparten Leben und Schaden/Unfall vertreten, sowie in den Erstversicherungssegmenten Leben, Gesundheit und Schaden/Unfall sowie dem Mischsegment Munich Health unter dem die weltweiter Krankenrückversicherung und die außerdeutsche Krankenerstversicherung betrieben werden.
Wie verdient ein Versicherer nun Geld und wie ermittelt man als Investor den "Normalgewinn" bzw. einen fairen Wert für die Aktie? Im Erstversicherungsgeschäft Schaden/Unfall ist das relativ leicht zu verstehen. Ein Versicherer übernimmt ein bestimmtes Risiko (z.B. Hausbrand) für einen bestimmte Vertragslaufzeit und kassiert dafür eine Prämie. Von dieser Prämie begleicht der Versicherer allfällige Schäden und deckt seine Kosten und investiert den Rest am Kapitalmarkt. An der statistisch erwartbaren Zeitspanne zwischen Prämienzahlung und Schadensfall verdient der Versicherer also Geld. Die Differenz wischen den eingenommen Prämien und den angefallenen Schäden und Kosten bezeichnet man als das Underwritingergebnis. Den Quotienten (Kosten + Schäden)/Prämien bezeichnet man als Combined Ratio oder Kosten-Schaden-Quote. Liegt diese bei unter 100% entsteht ein Underwritinggewinn, liegt sie über 100% ein Underwritingverlust. Eine Versicherung kann unter bestimmten Gegebenheiten, beispielsweise bei Geschäft mit sehr langen Laufzeiten auch profitabel arbeiten, wenn sie im Underwriting Verluste schreibt. Und zwar dann, wenn die Kapitalerträge aus den Kundengeldern diese Verluste übersteigen. Wichtig zu bedenken ist auch, dass der ausgewiesene Schadensaufwand für eine bestimmte Periode immer nur eine möglichst genaue Schätzung des Unternehmens ist, und erst im Laufe der Jahre, wenn dann alle Schäden ans Licht kommen. Das gilt insbesondere in der Rückversicherung in einigen Segmenten (vor allem Haftpflicht) wo man noch nach Jahrzehnten(!) unangenehme Nachrichten erhalten kann. Dann müssen die Schäden entsprechend korrigiert werden, was der Münchner Rück um 2000 über alte Asbestschäden hohe Kosten verursachte. Es gibt also drei Parameter, die für eine Bewertung eines Schaden/Unfallerstversicherers entscheidend sind. Die Combined Ratio, die Anlagerendite und die Höhe der auf eigene Rechnung veranlagte Kundengelder (Float).
Beispielrechnung(für Richtigkeit der Zahlen und Schätzungen keine Gewähr)
Doch wie berechnet man nun den Float? Nun man nimmt alle Bilanzposten, die anzeigen, dass das Unternehmen Geld vom Kunden im Voraus erhalten hat (versicherungstechnische Rückstellungen) und zieht die Beträge ab, für die das Unternehmen in Vorleistung gehen musste (aktivierte Abschlusskosten, Rückversichereranteil). Im Schaden/Unfallsegment der Münchner Rück waren das nach dieser Methodik zum 31.12.2011 11.485 Millionen €.
Für die Kapitalanlage veranschlage ich vorsichtshalber nur die Rendite 10-jährigen Bundesanleihen (1,64%), also einen Ertrag von 188 Millionen €. Weiters nehme ich an, dass die von der Münchner Rück durchschnittlich angepeilte Combined Ratio von 95% eine realistische Größe ist (man war auch auch schon weit besser) und setze mit den Zahlen von 2011 damit ein Underwritingergebnis von 247 Millionen €. Insgesamt also für das Segment ein normalisierte Bruttogewinn von 435 Millionen €. Als Steuerquote veranschlage ich die in Deutschland erwartbaren 30%, auch wenn die Münchner Rück lt. Angaben des Finanzvorstands Schneider in absehbarer Zeit nur 20% zahlen wird. Bleibt ein Nettogewinn von 305 Millionen € aus dem Segment Erstversicherung Schaden/Unfall.
Wenn man jetzt mit den Zahlen ein bisschen spielt stellt man fest, dass jeder Prozentpunkt an Anlagerendite nach Steuern etwa 75 Millionen € ausmacht, jeder Prozentpunkt mehr oder weniger der angenommen Combined Ratio ca. 35 Millionen €. Welche Annahmen man trifft, muss jeder Investor nach eingehender Beurteilung der Historie des Managements, des Unternehmens und der Branche selbst beurteilen. Obige Zahlen sind nur ein Beispiel, wenngleich ein in meinen Augen einigermaßen plaubsibles.
Analog verfährt man für die Segmente Schaden/Unfall Rück und Munich Health.
Man kann dann den einzelnen Segmenten je nach persönlich wahrgenommener Wachstumsaussicht ein entsprechendes KGV zuweisen.
Für die übrigen Segmente mache ich mir die Sache einfacher und greife auf die Schätzungen des Unternehmens selbst zurück, die unter dem aktuellen Management immer eher konservativ waren, den sogenannte Market Consistent Embedded Value (MCEV).
Münchner Rück zahlt beständig eine gute Dividende, die auch jüngst mal wieder auf inzwsichen 7€ angehoben wurde (vorbehaltlich natürlich der Zustimmung der Hauptversammlung).
Ein tolles Unternehmen, über das in meinen Augen viel zu wenig gesprochen wird, deswegen dieser Thread. Freue mich auf eure Kommentare.